Das heutige
Nietleben besteht aus den Ortsteilen Granau, Alt-Nietleben, dem Unterdorf
und der Gartenstadt. Letztere ist ein Villenviertel am Heiderand. Im Norden
und Westen wird es von der Dölauer Heide eingeschlossen, im Osten grenzt ein
Aufforstungsgebiet an. Die südliche Begrenzung bildet die Straße
Habichtsfang.
Das Gelände war 1910 noch nahezu unbebaut. Hier befand sich einst der
Fasanenpark, zu dem der Fasanenteich gehörte, der sich östlich der
Heidestraße bis zum Heydenreichschen Besitz erstreckte. Der Teich war
mehrere Morgen groß und ziemlich flach und ist heute noch als weite
Ackersenke im Gelände erkenntlich. Er existierte bis 1901. Mit der Absenkung
des Grundwasserspiegels als Folge des Braunkohlenbergbaus ist er schließlich
ausgetrocknet. In unmittelbarer Nachbarschaft lag der Haldenplatz der Grube
"Neuglücker Verein".
Die Kohle aus der Grube wurde mit Pferden auf einer kleinen Schmalbahn
hierher gebracht. 1847 wurde mit dem Bau der Pferdebahn begonnen. Sie
verlief direkt hinter der Försterei Habichtsfang. 1875 wurde die Bahn bis
zur Abladestelle am Saaleufer - Kohlenschurre genannt - verlängert. Dort
wurde die Kohle auf Schiffe, so genannte Zillen, verladen. 1853 wird eine
Nagelfabrik erwähnt, die an der Kohlenstraße lag und deren Besitzer
Schlegelmilch hieß. In den 1860-er Jahren brannte sie nachts ab. Ein
gewisser Hampke aus Halle baute sie wieder auf und verwandelte sie in eine
Nasspresssteinfabrik, die 1883 Paul Heydenreich kaufte.
In einem Waldareal nördlich der Gartenstadt richtete der Verband der
Ortskrankenkasse Halle die "Walderholungsstätte" ein. Man benutzte Baracken
und ausrangierte Eisenbahnwaggons, um Kassenmitgliedern Erholung zu
verschaffen. 1921 übernahm die AOK das Objekt und zahlte bis 1931 Zuschüsse.
Im folgenden Jahr wurde die Einrichtung geschlossen. Nachdem Versuche der
AWO, des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes, der freiwilligen
Arbeitsdienste, sie wieder zu nutzen, fehlschlugen, ließ die AOK die
Baulichkeiten im Herbst 1936 abreißen.
Das bisher landwirtschaftlich genutzte Gelände der Gartenstadt erwies sich
als nicht sonderlich fruchtbar und für Ackerbau wenig geeignet. Deshalb
wurde Anfang des vorige Jahrhunderts das Land preisgünstig ( 1,50 Mark pro
Quadratmeter ) verkauft. Es war die Zeit der Entstehung von
Villen-Siedlungen im Umland von Halle. Wohnen im Grünen und in
Abgeschiedenheit war damals die Devise, fern von Belästigungen durch Lärm
und stinkende Abgase der rasant sich entwickelnden Industrie. 1910 wurde mit
der Erschließung des Geländes begonnen. 1916 waren 8 Grundstücke bebaut, am
Ende der Gartenstadtstraße direkt am Heiderand. Die wirtschaftliche
Situation während des Krieges und in der Nachkriegszeit ließ den Weiterbau
zunächst ruhen. Erst in den 1920er und 1930er Jahren wurde weiter gebaut, so
dass 1934 etwa 48 Grundstücke bebaut waren. In den 1940er Jahren waren es
schon 110 Grundstücke. Die Bewohner waren in ihrer sozialen Struktur bunt
gemischt. Die Gartenstadt Nietleben war durchaus keine Reichensiedlung wie
z.B. Neu-Dölau.
Aber die Bezeichnung "Gartenstadt" weist darauf hin, dass sich ihre Bewohner
mehr mit dem städtischen Ambiente des fernen Halle als mit dem dörflichen
Charakter Nietlebens identifizierten. Und die Bindung an die Stadt Halle
ergab sich durch die seit 1896 zwischen beiden Orten verkehrende
Halle-Hettstedter-Eisenbahn. Bei einem Spaziergang durch die Straßen kann
man viele verschiedene Baustile bewundern. Einers der besonders
beachtenswerten Gebäude der Gartenstadt ist das Haus Habichtsfang Nummer 13.
Das Haus besitzt das bauhausgemäße Aussehen eines kubischen Körpers. Der
zweigeschossige Bau wurde 1928 errichtet. Weitere Indizien für den
Bauhaus-Stil sind der
halbrunde Vorbau und die über Eck angeordneten Fenster. 1994 wurde es unter
Denkmalschutz gestellt. |