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Erinnerungen an die Schulzeit

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 ERINNERUNGEN RINNERUNGEN AN DIE SCHULZEIT
ERINNERUNGEN AN DEN SCHULBETRIEB IN NIETLEBEN ZWISCHEN 1900 UND 1941

(QUELLE: HANDSCHRIFT GERHARD SCHWINGE 1999)

Schulsysteme sind geprägt durch die jeweilig herrschende Staats- und Gesellschaftsordnung wie Monarchie, Sozialdemokratie, Diktatur, Sozialismus usw.
Vergleicht man die Art der Unterrichtsführung ab dem Jahr 1900 und damit die Praktiken der vom jeweiligen System geprägten Lehrer und deren pädagogische Methoden, so sind unglaubliche, aber wahre Tatsachen festzustellen.
Ich bin Jahrgang 1926 und habe die Volksschule Nietleben von 1933 bis 1941 besucht. Die normale Klassenstärke lag damals bei ca. 40 bis 45 Kindern. Jungen und Mädchen wurden nach Möglichkeit getrennt unterrichtet. Gehe ich von den Schulerlebnissen meiner Generation aus, kann man von Zuständen sprechen, die ihre Wurzeln in der Zeit Friedrich des Großen hatten: Strengster Gehorsam, Drill und körperliche Züchtigung waren vorherrschend. Als Erziehungsmittel gab es die Prügelstrafe. Es gab nicht nur massenweise Ohrfeigen, Hauptinstrument war der Rohrstock, eine biegsame Weidenrute. Diese Rohrstöcke gab es frei zu kaufen (in Nietleben in der Drogerie „Glück auf“ – Inhaber Paul Scherz). Der Umgang damit: Der Schüler musste sich bücken und bekam die verordnete Anzahl Hiebe mit voller Wucht auf den Hintern geschlagen. Auch hatte sich die Methode entwickelt, mit dem Rohrstock unter dem Arm durch die Bankreihen zu gehen und bei nicht richtigen Antworten Hiebe kurz über den Rücken zu ziehen oder auf die flache Hand zu schlagen.
Grundsätzlich galt folgendes Ordnungsprinzip: Auf dem Schulhof antreten und lautlos in die Klasse marschieren, Platz nehmen, Hände falten und die gefalteten Hände vor sich auf die Bank legen. Betrat der Lehrer die Klasse, musste gemeinsam und achtungsvoll aufgestanden werden. Wer gegen dieses Prinzip verstieß, handelte sich bereits eine Ohrfeige oder Schlimmeres ein. Fast alle Lehrer in Nietleben verhielten sich damals den Kindern gegenüber arrogant, lieblos, übertrieben streng und unpersönlich. Fast alle praktizierten die Prügelstrafe. Es seien hier einige Namen und Beispiele zu nennen, die von noch lebenden ehemaligen Schülern bestätigt werden können. Der Schlimmste seiner Art war der Lehrer Franz Müller (Mathematik, Deutsch, Geschichte), ein ehemaliger Reserveoffizier der Deutschen Reichswehr und Militarist. Eine seiner besonderen Methoden: Ab 2 Fehler in den Hausaufgaben (Mathe) gab es einen Hieb mit dem Rohrstock. Bei mehreren Fehlern steigerten sich die Stockhiebe entsprechend der Anzahl der Fehler. Nach dem Korrigieren gab es dann eine regelrechte "Prügel-Orgie". Es kam nicht selten vor, dass bis zu 10 Schüler am Lehrerpult standen, um sich die Hiebe abzuholen. Die Eltern waren machtlos und hatten kein Recht zur Beschwerde. Auch der Rektor der Schule, ein Herr Sommer, duldete die Zustände und machte selbst keine Ausnahme. Drei Lehrer möchte ich noch nennen, die den Unterricht in einer humaneren Art und Weise durchführten. Es waren die Lehrer Walter Schön, Hans Schönbrodt und Wilhelm Liebe. Dies waren Lehrer, die mit ihrer Persönlichkeit, sachlichen und verständnisvollem Verhalten sowie mit echt pädagogischen Fähigkeiten Respekt einflößten und in diesem Sinne beliebt waren.


ALS ICH IN NIETLEBEN ZUR SCHULE GING
(QUELLE: HANDSCHRIFT THOMAS THURM 1999)

Im September 1965 wurde ich in die Klasse 1b der Polytechnischen Oberschule Nietleben eingeschult. Allein aus der Gartenstadt waren es damals 13 Kinder, die in die Klassen 1a und 1b gingen. Dazu kamen natürlich noch Jungen und Mädchen aus dem „Dorf“.
Die Schule in Nietleben bestand aus der Alten Schule (Am Schulhof 8), der Neuen Schule (Waidmannsweg 53), der Uralten Schule (an der Kirche) und dem Hort (Windmühlenstraße).
Als Schüler der unteren Klassenstufen ging man zunächst in die Alte Schule. Unser erstes Schuljahr hatte auch gleich etwas Besonderes: Obwohl die Alte Schule aus zwei Gebäuden, Haus 7 und Haus 8, bestand, gab es einfach zu wenig Klassenräume für alle Klassen. Die Schulleitung erfand deshalb damals schon das „room sharing“: Die zweite Klasse nutzte den Raum vormittags, wir von der ersten Klasse hatten nachmittags, etwa von 13 bis 15 Uhr, zum Unterricht zu erscheinen. Von wegen: „Morgens früh zur Schule gehen ...“.
Der Schulweg für uns Kinder aus der Gartenstadt zur Alten Schule war relativ lang. Er führte zunächst über den Bahnübergang an der Tanne (die „Felfe-Röhre“ existierte noch nicht) und dann meist den Weg am Bruchfeld entlang. Es ging vorbei am damaligen Kindergarten, am „kleinen Bruch“ und an den Zementhäusern und dann durch die „Bäckerschlippe“. Dort gab es die Bäckerei Hartung, von der es zur Schule nur noch ein paar Schritte waren. Wir gingen oft gemeinsam zur Schule, so erschien die Strecke nie lang. Kaum einer wurde von den Eltern zur Schule gebracht oder abgeholt; das wollten wir auch nicht. Der Weg war ja interessant, er verleitete zum Bummeln, zu Abstechern und es wurde mitunter ziemlicher Blödsinn ausgeheckt. So hören meine Kinder heute noch gern, wie wir unterwegs einen grünen Frosch einfingen, mit in die Schule nahmen und im Klassenraum in den Kreidekasten setzten. Die Lehrerin merkte nichts, da er vom Tafellappen verdeckt war. Erst als sie den Lappen wegnahm, sprang der Frosch heraus. Ein durchschlagender Erfolg bei Lehrerin und Schülern war gesichert.
Die Alte Schule hatte einen staubigen, baumlosen Schulhof. Zwei gegenüberliegende Seiten bildeten jeweils Haus 7 und Haus 8. Dazwischen lag das ziemlich neue flache Gebäude mit den Toiletten. Die vierte Seite war die Mauer zur Straße. Wir saßen noch auf richtigen, wohl schon sehr alten Schulbänken, die alle miteinander verschraubt waren. An jedem Platz befand sich die Öffnung für ein Tintenfass. Doch brauchten wir dieses nicht mehr, wir schrieben ja mit dem „Pionierfüller“.
Der Direktor der POS war damals ein Herr Stolph, geachtet und gefürchtet zugleich. Tauchte er irgendwo auf, wurden selbst die wildesten Schüler brav – er musste nicht einmal etwas sagen. Frau Knauf, die Hausmeisterin, wohnte im Haus 8 in der oberen Etage.
Ebenso abwechslungsreich wie der Hinweg konnte auch der Heimweg gestaltet werden. Zunächst bestand die Gefahr eines Staus bzw. zähflüssigen Verkehrs oder anderer Zwischen- oder gar Überfälle an und in der Bäckerschlippe. Hier konnte man jemanden auflauern, ihm oder ihr die Brottaschen nach hinten ziehen oder sonstige Liebenswürdigkeiten austauschen. Nach Überwinden der Bäckerschlippe ging man auch mal zum Heidesee, um dort etwas Zeit zu verbringen. Den nächsten Halt gab es mitunter zwischen Zementhäusern und kleinem Bruch. Am kleinen Bruch hatten nämlich „unsere sowjetischen Freunde“ einige Gebäude in Beschlag. Vom Platz neben den Zementhäusern aus schossen die Russen ohne viel Aufhebens oft mit diversen Geschützen über den Heidesee hinweg auf Ziele, die sich am anderen Ufer befanden. Da gab es schon mal was zu gucken. „Kamerad Abzeichen!?“, diese Frage bescherte uns manchen Anstecker, oft rannten wir aber auch den Russen weg und diese rannten hinter uns her. Eine weitere Möglichkeit zur kreativen Gestaltung des Heimweges waren die Gleise, die von der Zementfabrik zum Bahnhof führten. Darauf fuhr regelmäßig der „Bullo“, eine grüne Dampfspeicherlokomotive. Wir gingen manchmal auf den Bulloschienen, da die Abstände der Schwellen genau die richtige Schrittlänge für uns Kinder hatten. So kam man schnell vorwärts – und schaute nicht rückwärts. Plötzlich ertönte ein Zischen und Pfeifen, eine Stimme brüllte und – der Bullo fuhr dicht hinter uns. Wir machten ihm dann gnädigst den Weg frei, der Klügere gibt schließlich nach. Kurz vor Erreichen des Waidmannsweges tauchten auch mal Gänse auf, die unseren Heimweg wieder gehörig beschleunigten. Zu Hause wartete ja schließlich die Mutter: „Wo bleibste denn wieder?“ „Ach, wir hamm jebummelt.“ „Mussde denn immer so bummeln?!“
Ab der 5. Klasse ging man teilweise zum Unterricht auch schon in die neue Schule (seit Klasse 2 sogar vormittags). Eine Unterrichtsstunde fand in der Alten, die nächste konnte in der Neuen Schule stattfinden. Sowohl Schüler als auch Lehrer zogen deshalb mehrmals am Vormittag zwischen den Schulgebäuden, Völkerwanderungen nicht unähnlich, hin und her. Die Lehrer achteten immer darauf, dass wir sie beim Begegnen auch grüßten. Als wir jedoch der stellvertretenden Direktorin, die sich über unsere diesbezüglich mangelhaften Aktivitäten beschwerte, im Chor „Guten Tag“ wünschten, erregte das ihr äußerstes Missfallen. Wie hätte es die Dame denn nun gern gehabt?
Diese Schüler- und Lehrerwanderungen (heute spricht man von Mobilität) führten oft zu
Unterrichtsausfall oder –verkürzung. Es passierte nicht nur einmal, dass der Lehrer (die Lehrerin) in die Neue Schule ging und wir in die Alte liefen. Hier konnte man durch geeignete Streckenwahl eine Begegnung unterwegs vermeiden. Doch spätestens zum Ende der Unterrichtsstunde fand man sich wieder. Mehr als einmal sah der Stundenplan auch vor, dass zwei oder drei Klassen den gleichen Klassenraum zu benutzen hatten. Da kam Freude auf.  Je höher die Klassenstufe, umso mehr fand der Unterricht in der Neuen Schule statt. Wie haben wir uns gewünscht, endlich nur noch dahin gehen zu müssen – da zählte man langsam zu den Großen. Die Neue Schule hatte wohl nicht mehr als sechs, sieben Klassenzimmer, u.a. Biologieraum, Musikraum (sogar mit Klavier) und im Keller einen Werkraum. Auch gab es schon eine ziemlich große und moderne Turnhalle. Bei schönem Wetter hatten wir den Sportunterricht auch mal auf dem Sportplatz an der Heidestraße. Auf dem Schulhof mit seinen alten großen Bäumen fanden die allseits beliebten Appelle zu besonderen Anlässen statt. Hier wurde die Fahne gehisst, hier mussten wir morgens auch klassenweise antreten, um in den Unterrichtsraum zu gehen.
In der sechsten Klasse begann der Physikunterricht, ab der Siebten gab es Chemie. Für diese Fächer wurden Fachräume in der Uralten Schule eingerichtet. Die Uralte Schule bestand nur aus Physik- und Chemieraum, einer Art Hausmeisterwohnung, einem Lehrerzimmer und einem kleinen Schulhof. Unser Klassenwimmer war einige Zeit der Chemieraum und so ist mir das Gebäude sich in guter Erinnerung. Der Hausmeister war ein Herr Maye. Er sorgte für Ordnung und für Milch. Auf dem Schulhof befand sich auch die uralte Klärgrube der Uralten Schule, mit Brettern abgedeckt. Da man den Brettern (auch uralt) misstraute, war ein Betreten dieser streng verboten. In unmittelbarer Nähe lagen die Kirche, die Gebäude der Feuerwehr und das Büro des ABV (in der alten Schule), wir waren in jeder Hinsicht gut aufgehoben. Im Laufe eines Schülerlebens ging man in Nietleben also erst in die Alte, dann in die Neue und schließlich sogar in die Uralte Schule. Die Uralte Schule hatte dabei fast die modernsten Räume in diesen Jahren.
Schüler oder Lehrer erhielten in Nietleben durchaus die Chance, an einem Schultag zwischen allen drei Schulgebäuden hin- und herzupendeln. Beim Weg zwischen Uralter und Neuer Schule bot sich ein Zwischenstopp im Lebensmittelgeschäft „Koch“ an, der Marsch zur Alten Schule konnte beim alten Mehl oder bei Sack („... entweder Herr Sack oder Jenosse Sack, vorschtehste?!..“) für kleinste Einkäufe unterbrochen werden. Das passierte aber nicht allzu oft, denn wir bekamen ja alle ordentlich Frühstück mit.
Im Sommer 1973 verließ ich dann die POS Nietleben. Es war sicher damals keine „Vorzeigeschule“. Aber die Schule in Nietleben hatte, so wie ich sie kennenlernte, schon etwas Besonderes. Und sie ist es wert, dass man sich erinnert.

Nietlebener Kalenderblätter 2008

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Stand: 13. September 2018