LPG “FREUNDSCHAFT”
(QUELLE: WOLFGANG ELY,
2007)
Vorweg möchten wir auf den ausführlichen Beitrag im Heimatkalender 2007
verweisen.
Hier soll nun auf die LPG-Zeit näher eingegangen werden.
In der sowjetischen Besatzungszone begann nach dem 2. Weltkrieg ein
umfassender Prozess der
Landverteilung, die „Bodenreform“. Die geschaffenen Neubauernstellen
bildeten die Existenz-grundlage
für die vielen Umsiedler und landlosen Bauern.
Bis 1949 entstanden über 200.000 Neubauernstellen mit einer
durchschnittlichen Betriebsfläche von je
8 Hektar. Mit der Gründung der DDR (im gleichen Jahr) wurden die
Grundstoffindustrie, Banken,
Verkehrsbetriebe u.a. staatliches sozialistisches Eigentum.
In der Landwirtschaft entstanden durch die Bodenreform volkseigene Güter.
Die wirksamste Hilfe des
Staates für die Entwicklung der Landwirtschaft war die Bildung der MAS
(Maschinen-Ausleih-Station)
1949, später MTS (Maschinen-Traktoren-Station).
Mit Hilfe der MAS wurde es den werktätigen Bauern möglich, sich von der
Abhängigkeit der Großbauern
zu befreien. Gleichlaufend wurde der VdgB (Verein der gegenseitigen
Bauernhilfe) gegründet. Als erster
Vorsitzender des Saalkreises wurde Fritz Müller gewählt. Aus dem VdgB
entwickelte sich später die BHG
(Bäuerliche Handelsgenossenschaft).
Es entstand ein Widerspruch zwischen der Ausrüstung der MAS und den
zersplitterten, kleinen
Einzelflächen der Bauernwirtschaften, wo der Einsatz der neuen Maschinen
kaum möglich war. Deshalb
wurde 1952 die Gründung von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften
(LPG) beschlossen. Es gab drei Formen von
Produktionsgenossenschaften:
| Typ I: Ackerland, Grünflächen, Wald wurden zur gemeinsamen Nutzung
eingebracht; somit war
eine Bearbeitung durch die MAS leichter möglich. Tiere und Geräte blieben
persönliches
Eigentum. Die genossenschaftlichen Einkünfte wurden bis zu 40 % nach dem
eingebrachten Boden
und 60 % nach den persönlich geleisteten Arbeiten verteilt |
| Typ II: Es wurden grundsätzlich die Pferde und Geräte mit eingebracht.
Vergütung 30 % nach
eingebrachtem Boden und 70 % nach der geleisteten Arbeit. |
| Typ III: Hier wurde zusätzlich auch alles Nutzvieh eingebracht und
gemeinschaftlich betreut.
Vergütung 20 % nach eingebrachtem Boden, 80 % nach der geleisteten Arbeit. |
Der in der LPG genutzte Boden besteht aus dem durch die Mitglieder
eingebrachten Boden sowie den
vom Staat zur unentgeltlichen Nutzung übergebenen Ländereien und gepachteten
Boden. Jedes
Genossenschaftsmitglied behielt 0,5 ha zur individuellen Nutzung.
Inventarbeitrag: Wirtschaftsgebäude, bauliche Anlagen sowie das für die
individuelle Wirtschaft nicht
notwendige Vieh. Die Übergabe erfolgt in Form eines Inventarbeitrages, der
von jedem Mitglied
entsprechend der von ihm eingebrachten Bodenfläche zu leisten war. Der
Inventarbeitrag wurde in der
Mitgliederversammlung festgelegt (durchschnittlich 500 Mark pro Hektar).
In der LPG Typ III, bei denen alle Zweige der landwirtschaftlichen
Produktion vergesellschaftet waren,
umfasste die individuelle Hauswirtschaft bis zu 0,5 ha Land, bis 2 Kühe mit
Kälbern, bis zu 2
Mutterschweinen mit Nachwuchs, bis zu 5 Schafen mit ihren Lämmern, 10
Bienenstöcke sowie die gleiche
Anzahl von Ziegen und Kaninchen. Der erwirtschaftete Gewinn war steuerfrei.
Die Vergütung erfolgte durch Arbeitseinheiten (AE). 80 % wurden monatlich
ausgezahlt, 20% am
Jahresende, je nach Planerfüllung konnte die Auszahlung steigen oder sinken.
Sozialversicherung: 9 % des monatlichen Einkommens, das sich aus dem
Durchschnitt der letzten 12
Monate errechnete. Kostenlos waren: Arzt-, Zahnarzt- und
Krankenhausbehandlung, alle Arzneimittel
sowie Sachleistungen. Bei Unfällen, Invalidität oder Alter Besteht Anspruch
auf Rente. Urlaub betrug für
alle Mitglieder 12 Arbeitstage.
In den Nachkriegsjahren musste vor allem die Versorgung der Bevölkerung mit
dem
Lebensnotwendigsten abgesichert werden. Der Wiederaufbau der Wirtschaft und
Industrie bedingte eine
funktionierende Landwirtschaft.
Damals hieß es u.a. „Stadt und Land, Hand in Hand“! Ein wichtiger Faktor war
dabei die Arbeitskraft
Mensch. Landwirtschaft mit der traditionellen Arbeitsweise war nicht mehr
durchführbar. Es fehlte überall
an Arbeitskräften. Frauen und Männer gingen in die Industrie. Kaum einer der
Bauern hatte einen
Nachfolger für seine Wirtschaft. Die heranwachsenden Jugendlichen zog es in
die wieder entstehende
Großindustrie im Umland von Halle.
Viele scheuten sich vor der schweren Arbeit, die die Landwirtschaft
verlangte, denn der bäuerliche Hof
musste ständig rund um die Uhr versorgt werden. Urlaub war ein Wunschtraum
für Kleinbauern.
Durch die Flucht des Großbauern Weineck in die BRD war es überhaupt erst
möglich, 1953 in Nietleben
eine LPG vom Typ III (LPG „Freundschaft“) zu bilden. Es konnte nun das Vieh
gemeinsam gehalten
werden. So erhielt z.B. Herr Geißler eine Wohnung im Gut. Er wurde als
Feldbaubrigadier eingesetzt,
seine Frau für den Schweinestall verantwortlich. Im Gut Granau wohnten
weiterhin die Köchin Frau Fangk
sowie Herr Lindberg und Herr Keilpflug (ehemalige Arbeitskräfte des Gutes).
Vorsitzender der LPG „Freundschaft“ wurde der Bauer Fritz Müller. Mitglieder
waren außerdem die
Familien Wagner und Möbius (ab 1954).
Ebenfalls 1953 wurde die LPG „Heiderand“ vom Typ I gegründet. Mitglieder
waren die Bauern Ostehr,
Hauck und Familie Göhricke.
Die Umwandlung der Landwirtschaft durch die LPG-Gründungen wurde durch viele
Altbauern gestört.
Ungenügende Ablieferungen, Spekulation und Schiebereien waren an der
Tagesordnung (Heimliches
Schlachten von Tieren – das Fleisch und andere Grundnahrungsmittel wurden
unter der Hand teuer
verkauft bzw. gegen Wertsachen eingetauscht). Es ging sogar bis zu
Morddrohungen (z.B. gegen Fritz
Müller), Brandstiftungen (in Langenbogen), Sabotage (Maschinen wurden
zerschlagen, Treibriemen von
Dreschmaschinen zerschnitten u.v.a.). Besonders stark war der ideologische
Druck seitens der BRD durch
das Abwerfen von Flugblättern mit Hetzparolen.
Zur weiteren Entwicklung der Landwirtschaft in Nietleben der folgenden Jahre
bis zur Kooperation mit den
umliegenden Genossenschaften mehr in einem späteren Beitrag. Literaturhinweise:
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