August 2008 

Home
Nach oben





Impressum

LPG „Freundschaft“

August 2008

Mo Di Mi Do Fr Sa So
        1 2 3
4 5 6 7 8 9 10
11 12 13 14 15 16 17
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 31
             

LPG “FREUNDSCHAFT”
(QUELLE: WOLFGANG ELY, 2007)

Vorweg möchten wir auf den ausführlichen Beitrag im Heimatkalender 2007 verweisen. Hier soll nun auf die LPG-Zeit näher eingegangen werden.

In der sowjetischen Besatzungszone begann nach dem 2. Weltkrieg ein umfassender Prozess der Landverteilung, die „Bodenreform“. Die geschaffenen Neubauernstellen bildeten die Existenz-grundlage für die vielen Umsiedler und landlosen Bauern.
Bis 1949 entstanden über 200.000 Neubauernstellen mit einer durchschnittlichen Betriebsfläche von je 8 Hektar. Mit der Gründung der DDR (im gleichen Jahr) wurden die Grundstoffindustrie, Banken, Verkehrsbetriebe u.a. staatliches sozialistisches Eigentum.
In der Landwirtschaft entstanden durch die Bodenreform volkseigene Güter. Die wirksamste Hilfe des Staates für die Entwicklung der Landwirtschaft war die Bildung der MAS (Maschinen-Ausleih-Station) 1949, später MTS (Maschinen-Traktoren-Station).
Mit Hilfe der MAS wurde es den werktätigen Bauern möglich, sich von der Abhängigkeit der Großbauern zu befreien. Gleichlaufend wurde der VdgB (Verein der gegenseitigen Bauernhilfe) gegründet. Als erster Vorsitzender des Saalkreises wurde Fritz Müller gewählt. Aus dem VdgB entwickelte sich später die BHG (Bäuerliche Handelsgenossenschaft).
Es entstand ein Widerspruch zwischen der Ausrüstung der MAS und den zersplitterten, kleinen Einzelflächen der Bauernwirtschaften, wo der Einsatz der neuen Maschinen kaum möglich war. Deshalb wurde 1952 die Gründung von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) beschlossen.

Es gab drei Formen von Produktionsgenossenschaften:
bulletTyp I: Ackerland, Grünflächen, Wald wurden zur gemeinsamen Nutzung eingebracht; somit war eine Bearbeitung durch die MAS leichter möglich. Tiere und Geräte blieben persönliches Eigentum. Die genossenschaftlichen Einkünfte wurden bis zu 40 % nach dem eingebrachten Boden und 60 % nach den persönlich geleisteten Arbeiten verteilt
bulletTyp II: Es wurden grundsätzlich die Pferde und Geräte mit eingebracht. Vergütung 30 % nach eingebrachtem Boden und 70 % nach der geleisteten Arbeit.
bulletTyp III: Hier wurde zusätzlich auch alles Nutzvieh eingebracht und gemeinschaftlich betreut. Vergütung 20 % nach eingebrachtem Boden, 80 % nach der geleisteten Arbeit.

Der in der LPG genutzte Boden besteht aus dem durch die Mitglieder eingebrachten Boden sowie den vom Staat zur unentgeltlichen Nutzung übergebenen Ländereien und gepachteten Boden. Jedes Genossenschaftsmitglied behielt 0,5 ha zur individuellen Nutzung.
Inventarbeitrag: Wirtschaftsgebäude, bauliche Anlagen sowie das für die individuelle Wirtschaft nicht notwendige Vieh. Die Übergabe erfolgt in Form eines Inventarbeitrages, der von jedem Mitglied entsprechend der von ihm eingebrachten Bodenfläche zu leisten war. Der Inventarbeitrag wurde in der Mitgliederversammlung festgelegt (durchschnittlich 500 Mark pro Hektar).
In der LPG Typ III, bei denen alle Zweige der landwirtschaftlichen Produktion vergesellschaftet waren, umfasste die individuelle Hauswirtschaft bis zu 0,5 ha Land, bis 2 Kühe mit Kälbern, bis zu 2 Mutterschweinen mit Nachwuchs, bis zu 5 Schafen mit ihren Lämmern, 10 Bienenstöcke sowie die gleiche Anzahl von Ziegen und Kaninchen. Der erwirtschaftete Gewinn war steuerfrei.
Die Vergütung erfolgte durch Arbeitseinheiten (AE). 80 % wurden monatlich ausgezahlt, 20% am Jahresende, je nach Planerfüllung konnte die Auszahlung steigen oder sinken.
Sozialversicherung: 9 % des monatlichen Einkommens, das sich aus dem Durchschnitt der letzten 12 Monate errechnete. Kostenlos waren: Arzt-, Zahnarzt- und Krankenhausbehandlung, alle Arzneimittel sowie Sachleistungen. Bei Unfällen, Invalidität oder Alter Besteht Anspruch auf Rente. Urlaub betrug für alle Mitglieder 12 Arbeitstage.
In den Nachkriegsjahren musste vor allem die Versorgung der Bevölkerung mit dem Lebensnotwendigsten abgesichert werden. Der Wiederaufbau der Wirtschaft und Industrie bedingte eine funktionierende Landwirtschaft.
Damals hieß es u.a. „Stadt und Land, Hand in Hand“! Ein wichtiger Faktor war dabei die Arbeitskraft Mensch. Landwirtschaft mit der traditionellen Arbeitsweise war nicht mehr durchführbar. Es fehlte überall an Arbeitskräften. Frauen und Männer gingen in die Industrie. Kaum einer der Bauern hatte einen Nachfolger für seine Wirtschaft. Die heranwachsenden Jugendlichen zog es in die wieder entstehende Großindustrie im Umland von Halle.
Viele scheuten sich vor der schweren Arbeit, die die Landwirtschaft verlangte, denn der bäuerliche Hof musste ständig rund um die Uhr versorgt werden. Urlaub war ein Wunschtraum für Kleinbauern.
Durch die Flucht des Großbauern Weineck in die BRD war es überhaupt erst möglich, 1953 in Nietleben eine LPG vom Typ III (LPG „Freundschaft“) zu bilden. Es konnte nun das Vieh gemeinsam gehalten werden. So erhielt z.B. Herr Geißler eine Wohnung im Gut. Er wurde als Feldbaubrigadier eingesetzt, seine Frau für den Schweinestall verantwortlich. Im Gut Granau wohnten weiterhin die Köchin Frau Fangk sowie Herr Lindberg und Herr Keilpflug (ehemalige Arbeitskräfte des Gutes).
Vorsitzender der LPG „Freundschaft“ wurde der Bauer Fritz Müller. Mitglieder waren außerdem die Familien Wagner und Möbius (ab 1954).
Ebenfalls 1953 wurde die LPG „Heiderand“ vom Typ I gegründet. Mitglieder waren die Bauern Ostehr, Hauck und Familie Göhricke.
Die Umwandlung der Landwirtschaft durch die LPG-Gründungen wurde durch viele Altbauern gestört. Ungenügende Ablieferungen, Spekulation und Schiebereien waren an der Tagesordnung (Heimliches Schlachten von Tieren – das Fleisch und andere Grundnahrungsmittel wurden unter der Hand teuer verkauft bzw. gegen Wertsachen eingetauscht). Es ging sogar bis zu Morddrohungen (z.B. gegen Fritz Müller), Brandstiftungen (in Langenbogen), Sabotage (Maschinen wurden zerschlagen, Treibriemen von Dreschmaschinen zerschnitten u.v.a.). Besonders stark war der ideologische Druck seitens der BRD durch das Abwerfen von Flugblättern mit Hetzparolen.
Zur weiteren Entwicklung der Landwirtschaft in Nietleben der folgenden Jahre bis zur Kooperation mit den umliegenden Genossenschaften mehr in einem späteren Beitrag.

Literaturhinweise:
bulletWolfgang Ely, Handschrift 2007
bulletMeyers Neues Lexikon, 2., völlig neu erarb. Aufl. in 18 Bänden, Bd. 8, Leipzig 1974, S. 351-353., sv. “landwirtschatliche Produktionsgenossenschaft”.
bullet http://de.wikipedia.org/wiki/Landwirtschaftliche_Produktionsgenossenschaft
bullet http://www.ddr-geschichte.de/Wirtschaft/Landwirtschaft/landwirtschaft.html 
bulletErinnerungen von Fr. Anneliese Möbius
 

Nietlebener Kalenderblätter 2008

Home | Verein | Termine | Themen | Kalenderblätter | Links | Übersicht | Kontakt  
 
Stand: 13. September 2018