DER NIETLEBENER BAHNHOF
(QUELLE: D.SCHERMAUL 2007)
Einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung Nietlebens stellte der Bau der
Halle-Hettstedter-Eisenbahn
dar. 1895 wurde mit den Bauarbeiten begonnen. Im Mai 1896 fuhr der erste Zug
vom Bahnhof Klaustor
nach Hettstedt. Die erste Station auf der 45 km langen Strecke war
Nietleben. Das Bahnhofsgebäude war
für damalige Zeit für eine Kleinbahn recht beachtlich. Damals stand es noch
frei im Felde, wie auf einer
Postkarte aus dem Jahre 1910 zu sehen ist. Heidestraße und Gartenstadt waren
noch nicht vorhanden.
Das Gebäude ist in seiner ursprünglichen Form bis heute erhalten. Die
architektonisch schöne
Baugestaltung des Bahnhofsgebäudes findet man auch Gerbstedt und
Schwitterdorf wieder. Das
Empfangsgebäude wies die für jene Zeit typische Ausstattung mit Warte- und
Fahrkartenverkaufsraum
auf. Im oberen Geschoß befand sich die Wohnung des Bahnhofsvorstehers. Lange
Zeit war dies Friedrich
Thiele, der nach Erreichen des Ruhestandes von Karl Diekmann abgelöst wurde.
Im Gebäude gab es
auch einen kleinen Gastraum. Im Verzeichnis der Gewerbetreibenden wurde 1904
Familie Müller als
Gaststättenbetreiber ausgewiesen, die später das Flugplatzrestaurant
bewirtschaftete. 1915 taucht der
Name Wietzner als Gastwirt des Bahnhofslokals auf. Wie lange die Gaststätte
betrieben wurde, ist uns
nicht bekannt.
Die Halle-Hettstedter- Eisenbahn ( HHE ) war von Anfang an mit Personen- und
Gütertransport gut
ausgelastet. Bereits 1912 erforderte das Verkehrsaufkommen eine Erweiterung
der Bahnhofsanlage.
Einige Anschließer fanden hier Zugang zum Schienennetz der HHE. So erhielten
die "Adler"-Portland-Zementwerke, die Grube "Neuglücker Verein" und die Firmen Görig und Hallack
eigene Gleisanschlüsse
an das Streckennetz. 1922 wurde in unmittelbarer Nachbarschaft zum
Bahnhofsgelände das
Ausbesserungswerk der HHE errichtet. Die niedrigen Vorortkosten und die gute
Verkehrsanbindung waren
ausschlaggebend für die Industrieansiedlung, auch weiterer Betriebe in der
Folgezeit. Die
Güterabfertigungsstelle mit Verladerampen wurde geschaffen.
1934 erfolgte ein weiterer Um- und Ausbau des Bahnhofs. Es kamen weitere
Anschließer hinzu. Im
Zusammenhang mit der Errichtung der Heeres- und Luftnachrichtenschule wurde
für das Luftgaukommando
4, Dresden, Flugplatz Nietleben ein Gleisanschluss verlegt. Er erhielt die
Tarnbezeichnung "Herr Dr.
Sagebiel", benannt nach dem Architekten der Heeres- und
Luftnachrichtenschule, Dr. Sagebiel. Die Zahl
der durchgehenden Gleise erreichte 1938 mit acht vorerst das Maximum: fünf
Gleise für Zugfahrten, drei
Aufstell-, ein Lade- und drei Anschlussgleise sowie ein Zuführungsgleis zum
Ausbesserungswerk. 1936
wurde der Bahnhof mit Signalanlage ausgestattet. An der Einfahrt zum
Bahnhof, von Halle kommend,
befand sich das Stellwerk W 1. Das Gebäude ist heute noch (umgebaut)
vorhanden. Der rege Verkehr
erforderte Schrankenanlagen an der Halleschen Straße und am Habichtsfang.
Beide sind noch
vorhanden. Die Schranke in der Halleschen Straße wurde vom Stellwerk W1
bedient. Am Habichtsfang
wurde zu diesem Zweck ein Schrankenwärterhäuschen gebaut.
Nach dem Krieg erlebte die "Hettstedter" einen beachtlichen Anstieg der
Fahrgastzahlen (bedingt durch
"Hamsterfahrten"). Ein weiteres Ansteigen wurde durch das "Sonnen- und
Schwimmbad Graebsee"
hervorgerufen. Zur Bewältigung des Besucherstromes von bis zu 5000
Badegästen täglich musste die
HHE den Haltepunkt "Graebsee" einrichten. 1950 wurde aus Nietleben
Halle-West. Folglich wurde auch
der Name der Bahnstation geändert. Später führten Bus- und Individualverkehr
zu
einem erheblichen Rückgang der Fahrgastzahlen. Mit dem Aufbau von
Halle-Neustadt kam das Ende für
die HHE. Der letzte Personenzug verkehrte am 11.03.1968. Am 26.05.1968 wurde
auch der Güterverkehr
zwischen Bahnhof Klaustor und Nietleben eingestellt. Mit dem Abriss der
Bahnanlagen zwischen Bahnhof
Klaustor und Nietleben wurde unverzüglich begonnen.
Die neue S-Bahn-Strecke wurde in Nietleben an das bestehende Streckennetz
der HHE angeschlossen.
Am 28.09.1969 fuhr die erste S-Bahn nach Nietleben. Die Bahnhofsanlage von
Nietleben wurde
umgebaut und erweitert. Es entstand eine großzügig angelegte Abstellanlage
für die Reisezüge des
umfangreichen Berufsverkehrs nach Leuna und Buna. Mit der Wende verlor der
Bahnhof Nietleben seine
Bedeutung für den Berufsverkehr und wurde seither nur noch für den
S-Bahn-Verkehr genutzt. Seit 2003
endet auch die einstige S-Bahn-Verbindung Trotha-Dölau in Nietleben. Die
Bahn hat seitdem nichts zur
Erhaltung der Bahnanlage getan. Derzeit ist der Bahnhof Nietleben ein Ort
ohne wettergeschützte
Wartungsmöglichkeiten, ungenutzter Baulichkeiten und wilder Parkflächen. Und
es grenzt fast an ein
Wunder, dass hier heute noch Züge fahren. Dabei hatte doch alles einmal so
hoffnungsvoll begonnen.
Aber in Zukunft ergeben sich neue Perspektiven für unseren Bahnhof: Bis zum
Jahre 2009 soll in Nietleben
Pkw, Busse und S-Bahnen zusammengeführt werden und ein Parkplatz für
Umsteiger auf den Öffentlichen
Nahverkehr gebaut werden. Parallel dazu will die Deutsche Bahn eine
durchgehende Verbindung von
Halle-Nietleben nach Leipzig schaffen. Diese Umbaumaßnahmen sind auch mit
umfangreichen
Abrissarbeiten und Grundsanierungen verbunden, die Gesamtkosten sind mit
809.151,62 EUR (!) beziffert.
Derzeit wird die „Schnittstelle“ in Nietleben täglich von ca. 600 Menschen
genutzt. Allerdings war der
Umbau bereits ab 2007 geplant und wurde wegen abweichenden Kosten gestoppt.
So müssen sich die
Reisenden noch etwas gedulden, ehe ein barrierefreier Zugang zu den
S-Bahnsteigen, zwei neue
Bushaltestellen, 48 Parkplätze und ein Fahrrad-Abstellplatz realisiert
werden.
Literatur: