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Gasthof „Goldener Stern“

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GASTSTÄTTE „GOLDENER STERN“ IN DER EISLEBENER STR. 72

Der ehemalige Gasthof „Goldener Stern“ – heute Sitz eines Autohauses – lag verkehrsgünstig an der alten Salz- und Heerstraße, die bereits im Mittelalter bis in die Rheingegend führte.
Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die Straße nahezu unbebaut. Nietleben lag südlich der Eislebener Straße. Der Ort bestand aus Quellgasse, Dorfplatz und Kolonistenstraße, hatte 1785 gerade 271 Einwohner, die in 49 Häusern lebten. Die Eislebener Straße war über Jahrhunderte die einzige Verbindung von Halle aus in Richtung Westen. Mit Aufkommen des Reiseverkehrs per Postkutsche entstand der erstmals 1826 erwähnte Gasthof „Zur Sonne“: Ihn gibt es nicht mehr. Er musste 1958 wegen Baufälligkeit abgerissen werden. An seiner Stelle befindet sich heute der Parkplatz eines Autohauses.
1836 entstand in unmittelbarer Nachbarschaft als zweiter Gasthof des Ortes der „Goldene Stern“. Keiner brauchte die Konkurrenz des anderen zu befürchten. In den Jahren 1840 bis 1847 war die Straße zur Chaussee ausgebaut worden. In den Verkehrswegeplan ging sie als Reichsstraße Nr. 80, die spätere F80, ein. Über die Halle-Nietlebener-Chaussee und die Eislebener Straße führte der Postkurs Nr. 91: Halle - Eisleben - Nordhausen, mit Poststationen in Nietleben und Granau. Auf Grund der steigenden Nachfrage nach Rast- und Übernachtungsmöglichkeiten siedelten sich in der Folgezeit weitere Gaststätten an der Eislebener Straße an: Krug zum Grünen Kranze, Schützenhaus, Gambrinus, Bergschänke.
Seit der Entdeckung der Braunkohle im Jahre 1826 erfuhr Nietleben eine stürmische Entwicklung. 1864 zählt der Ort bereits 1412 Einwohner, die sich auf 311 Haushalte verteilen. Die Häuserzahl beträgt 180. 20 Jahre später hat Nietleben 1939 Einwohner. Es gibt 407 Haushalte. Die Häuserzahl hat sich auf 215 erhöht. Davon profitieren die zahlreichen Gasthöfe. In einer Anzeige aus dem Jahre 1924 des „Goldenen Sterns“ heißt es: Kalte und warme Speisen zu jeder Tageszeit, schöner großer Garten und Ball-Saal.
Dem Trend der Zeit folgend konnte der motorisierte Reisende an einer Tankstelle mit Handpumpe vor dem Lokal auch Benzin tanken. Ende der zwanziger Jahre entwickelte sich der „Goldene Stern“ zum Parteilokal der NSDAP. Im großen Saal tagten Vereine und wurden Feste gefeiert. 1933 wird in einer Anzeige im „Heideboten“ Albert Ermisch als Inhaber ausgewiesen. Im Oktober 1936 wurde Hermann Drechsel Pächter des Lokals. Bei Sommerwetter war das Gartenlokal mit seiner Tanzfläche beliebt.
Ab den 30er Jahren war im „Goldenen Stern“ das Domizil eines Sportvereins. Der Nietlebener Turnverein war bis in die 1950er Jahre dort untergebracht. Im Saal war ein Rundlauf mit Geräten (Barren…). Nach dem Bau der Turnhalle in der Schule im Waidmannsweg fanden sie dort neue Trainingsmöglichkeiten.
1964 ist der „Goldene Stern“ als HO-Gaststätte aufgeführt. In einem Bericht der ABI heißt es, dass die Gaststätte in ihrem Äußeren einen gepflegten Eindruck macht und der Gast sauber und schnell bedient wird, was anderenorts nicht immer vorgefunden wurde.
Zu DDR-Zeiten hatte auch das Verkehrssicherheitsaktiv im „Goldenen Stern“ seinen Sitz und die Jugend konnte dort den „Moped-Schein“ ablegen. Regelmäßig war der „Stern“ auch Wahllokal.
Auch Schulveranstaltungen, z.B. Einschulungen, fanden hier statt. Das Akkordeon- sowie das Mandolinenorchester probten hier. 1966 bis Anfang der 70er Jahre fanden sehr beliebte Live- Veranstaltungen in Machart des „Beat-Clubs“ statt. Nietleben hatte dadurch einen Namen in Halle und Umgebung. Sie brachten den Saalboden in Schwingungen, aus kulturpolitischen Gründen wurden diese Veranstaltungen dann unterbunden. Organisator war der Jugendclub, der sich 1964/65 gegründet hatte und in der „Grünen Tanne“ ansässig war.
1974 wurde im „Mach-mit-Wettbewerb“ von Nietlebener Bürgern und einer Initiative des Jugendclubs im „Stern“ der Vorraum des Saales (in der ersten Etage) für die Schülerspeisung ausgebaut. Die feierliche Übergabe der neuen, niveauvollen „Schülergaststätte“ erfolgte am 14. Dezember des gleichen Jahres zum Pioniergeburtstag.
Aber das zunehmende Verkehrsaufkommen auf der F 80 setzt dem Gebäude arg zu, so dass eine bauliche Sperrung erfolgen musste. Nach erfolgter Instandsetzung konnte im Oktober 1984 der in der ersten Etage gelegene Saal wieder eröffnet werden. Seit Mai 1985 standen Arbeits- und Klubräume zur Verfügung. Der „Goldene Stern“ wurde zum Treffpunkt des WBA. In den Räumen führte die DFD-Gruppe ihre Abende durch.
Am 10.01.1986 wird in der lokalen Presse mitgeteilt: „Seit Neujahrsmorgen trägt die ehemalige HOGaststätte die Bezeichnung „Klubhaus der Rationalisierungsmittelbauer“. Das Gebäude erstrahlt in frisch verputzter Fassade. Eine Interessengemeinschaft aus 9 Betrieben hatte ein gesellschaftliches, geistigkulturelles und Freizeitzentrum geschaffen.“
Im oberen Geschoss befand sich auch eine Wohnung („Grüner Salon“). Der Jugendclub veranstaltete zweimal wöchentlich Disco. Zwei Malzirkel waren fest etabliert. Ein- bis zweimal monatlich fand Familientanz statt. Der öffentliche Gaststättenbetrieb wurde aufrechterhalten. Objektleiter war Herr Schönbrodt („Johhy“), Wirtschaftsleiterin seine Ehefrau Edith Schönbrodt. Als Kultur- Verbindungsbeauftragte zwischen RBM und „Goldenem Stern“ war Frau Ellen Brömmel tätig.
Herr Schönbrodt war Leiter des Hauses bis zur Wende, die dann das Aus für diese gesellschaftliche Einrichtung brachte.
Das Gebäude „Goldener Stern“ wurde nach längerem Leerstand Sitz eines Autohauses und beherbergte Fahrschulen u.a. Unternehmen.

Literaturhinweise:
bulletVortrag D. Schermaul (2003)
bullet„Goldener Stern“ in Nietleben wurde attraktives Klubhaus ( Martina Feistel in: Freiheit vom 10.1.1986)
bulletFamilienchronik der Familie Drechsel
bulletErinnerungen von Fr. Edith Schönbrodt
 

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Stand: 13. September 2018