Braunkohlengrube
Neuglücker-Verein bei Nietleben
Im Jahre 1825 wurde in der Nähe des Ortes Nietleben, wahrscheinlich bei der
Ausschachtung des ehemaligen Dorfteiches, Kohle erschürft und am 23. Februar
1826 der Gemeinde das Recht der Ausbeutung verliehen.
Die Grube ist dann auch mehrere Jahre im Besitze der Gemeinde gewesen.
Auftretende Wasserschwierigkeiten, die große finanzielle Opfer erforderten,
zwangen zum Verkauf, weil man die nötigen Gelder zum Weiterbetrieb nicht
aufbringen konnte. Und so wurde denn eine Gewerkschaft gegründet. Sie
bestand aus 128 Teilen oder Kuxen. 124 bauten die Gewerken und mussten
Zubuße zahlen, um das Werk zu finanzieren, 1 Kux baute die Kirche, 1 Kux die
Schule, 2 Kuxe Grundeigentümer der Fundgrube, wo die Kohle gefunden war. Von
den jahrzehntelangen Überschüssen sind dann auch zum weitaus größten Teil
unsere Kirche, die Pfarre und die Schulen gebaut. Ihre Steuerleistung setzte
auch die Gemeinde instand, Einrichtungen zu schaffen, was andere
Dorfgemeinden, die derartige Einnahmen nicht hatten, nicht konnten.
Unsere Braunkohlengrube ist nicht der Wirtschaftskrise zum Opfer gefallen.
Sie ist am 10. Januar 1931 nach ordnungsgemäßem Abbau der Kohle nach mehr
als hundertjährigem Bestehen stillgelegt. In dieser Zeit wurden 9 071 449
Tonnen Braunkohlen gefördert. Unsere Grube mit Teerschwelerei und
Paraffinfabrik lag zwischen dem Vororte Nietleben und dem Stadtwalde Dölauer
Heide. Das 456 ha große Grubenfeld ist ein Teil des ca. 2 qkm umfassenden
Braunkohlenvorkommens zwischen den Ortschaften Nietleben, Dölau, Lieskau,
Bennstedt, Eisdorf, Zscherben. Anfangs lief der Betrieb ruhig und
ertragreich. Später entstanden jedoch Streitigkeiten. Ein Teil der Gemeinde
wollte die Ausbeute in die Gemeindekasse abführen, der andere Teil war für
Verteilung Und so entwickelten sich unter en bis dahin friedfertig lebenden
Einwohnern Streitigkeiten, die vor Gericht ausgetragen wurden und den
Beteiligten mehrere Monate Gefängnis einbrachten. Nun stellten sich
obendrein noch große Wasserschwierigkeiten ein, zu deren Beseitigung Gelder
geliehen wurden, wofür der Privatbesitz verpfändet werden musste. Dies
führte im Jahre 1841 zum Verkauf der Grube für 18000 Taler. Es bildete sich
nunmehr eine 128-teilige Gewerkschaft, die nach 1865 in eine 1000-teilige
umgewandelt wurde.
Inzwischen waren die Gruben Charlotte in Granau und die Grube Wilhelmine in
der Heide entstanden. Die Gewerkschaft vereinigte diese 3 Gruben unter dem
Namen: „Neuglücker- Verein“, wodurch das Unternehmen mehrere Jahrzehnte eine
der größten Braunkohlegruben Preußens wurde. Später wurden noch die
Grubenfelder Hulda, Karl und deren Erweiterungsfelder erworben; ferner noch
ein Grubenfeld vom Fiskus gepachtet.
Bis zum Jahre 1875 wurde die Kohle im Tagebau und Tiefbau abgebaut. Von da
ab nur im Tiefbau. Nach dem Stande der späteren Technik wäre ein großer Teil
des Grubenfeldes durch Tagebau, das heißt durch Abräumen des Deckgebirges zu
gewinnen gewesen sein. Im Tiefbau ging trotz aller Sorgfalt immer 1/3 der
Kohlen verloren. Technisch wurde das Werk in den 100 Jahren immer auf bester
Höhe gehalten. Durch die Anlage einer Pferdebahn vom Werke nach der Saale,
die 2 Porphyrrücken mit Tunnel durchkreuzte, konnte die Kohle direkt aus der
Grube nach der Aussturzstelle am Weinberg bei Halle gefahren werden. Durch
den Bau der Halle-Hettstedter Eisenbahn im Jahre 1895/96 verlor diese
Pferdebahn allmählich ihre Bedeutung. Im Jahre 1885 wurde an das Werk eine
Teerschwelerei mit 12 Öfen angegliedert, und 1892 noch 12 angebaut. Von 1894
ab erfolgte die Verarbeitung des Teers in der angeschlossenen eigenen
Paraffinfabrik.
Der von der Teerschwelerei erzeugte Braunkohlenteer setzt sich aus festen,
flüssigen und gasförmigen Kohlenwasserstoffen und aus anderen Beimengungen
zusammen. Das Schwelen erfolgte damals in liegenden Retorten. Ihr Betrieb
musste dauernd unterbrochen werden, und dieser war dadurch wenig rentabel.
Da erschien ein anderer Mann, Dr. Rolle, und konstruierte die nach ihm
benannten Rolleschen Schwelöfen. Sie bestanden aus einem 7 und auch mehr
Meter hohen Schacht aus Chamottesteinen und 5 oder 6 Fuß Durchmesser. Am
unteren Ende befand sich ein Konus, eine abgestumpfte Pyramide, an dem der
Koksabzug mit 2 Schiebern, einer Art Schleuse, angebracht war. Die Reinigung
des Teers, die Zerlegung desselben, war die Aufgabe der Paraffinfabrik.
Danach zerfiel der Betrieb der Paraffinfabrik in drei Teilabschnitte:
1. Die Destillation
2. die chemische Behandlung oder Mischerei
3. die Paraffinfabrikation oder Kristallisation
Die Führer der Gewerkschaft hatten schon das Ende der Grube längere Zeit
voraus berechnet. Und so schufen sie im ersten Jahrzehnt des 19.
Jahrhunderts in „Alwiner-Verein bei Bruckdorf“ ein Ersatzwerk.
Literatur:
- Bergbau in Nietleben (Quelle: Karl Thomas in: Heide-Bote 1929)
- Schließung der Braunkohlengrube Neuglücker-Verein bei Nietleben (Quelle:
Karl Thomas in: Heidebote 1931) |